Palma de Mallorca, 05.07.1999

gau. Seit vergangenen Freitag messen sich Studenten - jedenfalls Menschen, die an irgendwelchen Hochschulen eingetragen sind - auf Mallorca in sportlichem und manchmal auch fairem Wettkampf, um den Besten, Cleversten oder Glücklichsten, auf jeden Fall aber den Sieger unter ihnen mit einer hübschen goldenen Medaille zu küren. Warum, weiß wohl keiner so genau.

Denn die Universiade ist eine Veranstaltung, die die Welt nicht braucht. Aber, so ist dagegenzuhalten, was braucht die Welt überhaupt? Eine Olympiade, um beim Thema zu bleiben, mit Sicherheit auch nicht. Und die unzähligen deutschen, Europa- oder Weltmeisterschaften, die auf dem "blauen" Planeten eines winzigen Sonnensystems am Rande der Milchstraße ausgespielt, -gekämpft oder sonstwie entschieden werden, sind mit Sicherheit genauso unnötig fürs Fortbestehen des großen Ganzen wie eben diese Universiade.

Deren spezielles Dilemma: Nicht nur die Welt, selbst die Sportwelt braucht die Universiade nicht so recht. In in jeder der in Mallorca durchgeführten Disziplinen gibt´s eben schon Landes-, Kontinental- oder Weltmeisterschaften. Und die Olympiade ist nun mal die größte multisportive Veranstaltung auf dem Erdball, nicht die Wettkämpfe der Studenten. Daß in Palma nun zum Beispiel statt des schnellsten Mannes der Welt nur der weltweit Schnellste unter den studierenden Hundert-Meter-Läufern ermittelt wird, macht auf den ersten Blick nicht besonders viel Sinn.

Auch der damalige Bundespräsident und vorherige Mitbegründer der Rhein-Neckar-Zeitung, Dr. Theodor Heuss, hätte wohl ohne die Siegerehrung bei der 1953 in Dortmund durchgeführten "III. Internationalen Sommer-Hochschulsportwoche" des Welt-Studentensportverbandes FISU genug Möglichkeiten zu öffentlichen Auftritten gehabt. Und Ion Tiriac wäre mit Sicherheit auch ohne seine Universiade-Auftritte als Eishockey- (Sofia, 1961) bzw. Tennisspieler (Budapest, 1965) Manager von Boris Becker und damit reich geworden. Selbst die Heidelberger Buchautorin Brigitte Berendonk hätte ihren Kampf gegen das Doping im Sport höchstwahrscheinlich aufgenommen, ohne 1967 in Tokio im Kugelstoßen und Diskuswerfen eine bronzene sowie eine silberne Medaille ergattert zu haben.

Aber vielleicht sind derlei Gedanken auch ganz einfach fehl am Platz. Denn Fragen nach Belanglosigkeiten wie Sinn oder Nutzen einer Universiade erscheinen angesichts der ständig guten Laune der Athleten und unzähligen freiwilligen Helfern sowie der Begeisterung der Bevölkerung hier auf Mallorca wirklich nebensächlich. Auch das relativ geringe Medieninteresse kann nur von Vorteil sein.Sollten Deutschlands Zeitungen irgendwann mal auf die Idee kommen, auch bei Universiaden - wie bei olympischen Spielen längst üblich - einen Medaillenspiegel abzudrucken, wäre es mit der Unbeschwertheit mit Sicherheit vorbei.

So ist die tolle Atmosphäre von Palma offensichtlich kein Einzelfall. Der zuletzt für den Oberligisten SG Kirchheim und in Zukunft in der Verbandsliga bei der TSG Hoffenheim kickende Xaver Zembrod etwa schwärmt noch immer von seiner Universiade-Teilnahme 1993 in Buffalo. Immerhin holte das deutsche Fußball-Team mit Zembrod in der Abwehr dort zum zweiten Mal nach 1953 eine Bronze-Medaille. Und den Charakter einer Studenten-Olympiade beschrieb wohl die Wasserspringerin Brita Baldus 1995 im japanischen Fukuoka ziemlich treffend: "Ich nahm an Universiaden teil, um mir dort wieder Spaß und
Motivation für den Leistungssport zu holen."

Ganz im Sinne von Dr. Carl Schneiter, dem ehemaligen FISU-Generalsekretär aus der Schweiz, der in der Einladungsbroschüre für Dortmund 1953 schrieb: "Für Studenten ist der Sport reines Vergnügen. Die Überbewertung des Erfolges, die materialistische Auswertung oder gar die Unterwerfung der sportlichen Tätigkeit unter politische Ziele erfahren stärkste Ablehnung. Damit liegt der Studentensport viel mehr auf der ethischen Ebene als der ,zivile´ Sport und unterscheidet sich deutlich von diesem."

Bleibt anzumerken, daß ein gewisser Ben Johnson, der bei der Olympiade 1988 in Seoul vollgepumpt mit Anabolika einen nachträglich annullierten Weltrekord über hundert Meter lief, in gewisser Hinsicht ein Mensch gewesen sein muß, dem der Sport reinstes Vergnügen auf einer ethischen Ebene bereitete. Schließlich startete Johnson fünf Jahre vor dem "Sündenfall" von Seoul bei der Universiade in Edmonton in der kanadischen Sprintstaffel. Ob er zu diesem Zeitpunkt Chemie oder Pharmazie studierte, entzieht sich der Kenntnis des Autors.