Kaiserslautern, 15.08.1998

gau. Es gibt Dinge, die verfolgen einen ewig. Otto Rehhagel zum Beispiel die Geschichte mit der "Rentner-Band". Seit er als Fußballtrainer des Bundesliga-Aufsteigers Werder Bremen 1982 mit älteren Spielern sensationell in den Uefa-Cup einzog, hängt Rehhagel der Ruf an, er können mit den Jungen nicht umgehen.

Nun schickt Rehhagel auch beim 1. FC Kaiserslautern nicht gerade verstärkte Jugendmannschaften auf den Platz. Aber zum Saisonstart beim TSV 1860 München darf mit dem 20 Jahre alten Marco Reich voraussichtlich wieder ein Spieler aus der eigenen Jugend seine Dribbelkünste von Beginn an zeigen. "Ein außergewöhnliches Talent", war Rehhagel schon vor zwei Jahren von Reich angetan, als der in den Profikader aufrückte. Ein Jahr später, beim sensationellen Gewinn der deutschen Meisterschaft, war Reich mit 31 Einsätzen schon fester Bestandteil des Teams.

"Der Trainer macht das richtig so", hatte Reich im Zweitliga-Jahr denen versichert, die bemängelten, daß er kaum von Anfang an zum Einsatz komme. "Im nachhinein betrachtet war es richtig so", sagt auch Michael Ballack, das zweite Talent im Kader des deutschen Meisters. Daß Rehhagel ihn in der Vorrunde nur zu drei Kurzeinsätzen kommen ließ, war zwar eine harte Lehrzeit, weil er sich viel vorgenommen hatte. Aber im ersten Profijahr war der 21 Jahre alte Mittelfeldspieler letztlich doch bei 16 Spielen dabei.

Daß der auch von anderen Klubs umworbene Junioren-Nationalspieler überhaupt von Chemnitz nach Kaiserslautern wechselte, lag am Einsatz des Trainers. "Otto Rehhagel hat sich persönlich um mich bemüht, hat mit den Eltern gesprochen und sich dann auch weiter um mich gekümmert", sagt Ballack, "das Umfeld hat die ganze Zeit gestimmt, dann kommt auch irgendwann die Leistung."

Der Vereinswechsel sei eine richtige Entscheidung gewesen. Außerdem wird dem begabten Spieler eines unvergeßlich bleiben: "Im ersten Jahr deutscher Meister zu werden, das war eine Wahnsinnssache." Daß Reich und Ballack nach dem peinlichen WM-Auftritt der Nationalmannschaft in Frankreich zu neuen Hoffnungsträgern des deutschen Fußballs hochgejubelt werden, verwunderte trotz allem. "Die liegen 14 Tage in Spanien am Strand", amüsierte sich Rehhagel, "und auf einmal meint man, sie haben 50 Länderspiele gemacht."

"Man freut sich natürlich, wenn man genannt wird", sagt Ballack, "aber das waren überstürzte Reaktionen nach der Weltmeisterschaft." Auch das Bosman-Urteil als Begründung für den fehlenden Nachwuchs in Deutschland anzuführen, hält er für nicht angemessen. Immerhin, "ein bißchen ein Hindernis", sei es, daß viele Vereine bevorzugt auf erfahrene Ausländer setzen.

Für Thomas Riedl, der wie Reich in Kaiserslautern lernte Fußball zu spielen, hat das Urteil schon größere Bedeutung. "Wenn acht oder neun Deutsche in der Anfangsformation stehen müßten", sagt der 22 Jahre alte Riedl, "dann wäre es für die Jungen sicher einfacher." Seit drei Jahren ist Riedl nun Profi, in diese Zeit fallen Abstieg und Pokalsieg, direkter Wiederaufstieg und als Krönung die Meisterschaft.

"Ich habe viel miterlebt, und der Titelgewinn ist das Größte", sagt er, "aber schon am nächsten Tag ist das alles nicht mehr viel wert." Denn Riedl, dessen Vertrag noch ein Jahr läuft, steht vor dieser Saison am Scheideweg. Rehhagel betont zwar immer, jeder Spieler sei wichtig, was auch der Sohn des ehemaligen Profis Hannes Riedl registriert. "Der Trainer läßt keinen hängen, das ist ein guter Charakterzug."

Trotzdem steht für ihn fest: "Es wird Zeit für mich, irgendwo endlich Stammspieler zu werden." Nur sechsmal wurde Riedl in der vergangenen Saison eingewechselt, kam daher oft bei den Amateuren in der Regionalliga zum Einsatz. "Um Spielpraxis zu sammeln, ist das nicht schlecht", sagt er, "aber oben ist es einfach sehr viel schöner."