Von Harald Gaubatz
Frankfurt, 27.05.1998
gau. Die Viertelstunde nach dem Schlußpfiff war symbolisch für die neue Eintracht. Tausende hatten schon in den letzten Spielminuten des Fußballspiels gegen den FSV Mainz 05 den Innenraum des Waldstadions gestürmt. Denn mit dem 2:2 gegen den Zweitligakonkurrenten sollte sich Eintracht Frankfurt den letzten zum Aufstieg noch nötigen Punkt erkämpfen.
Zehntausende jubelten kurz darauf auf dem Rasen, während die Spieler des Bundesliga-Rückkehrers auf der Haupttribüne feierten. "Nie mehr zweite Liga", krächzte Profi Thomas Zampach mit heiserer Stimme ins Mikrofon und über die Stadionlautsprecher, "jetzt geht es wieder gegen Bayern München." Sein Kollege Alexander Kutschera gröhlte im Chaos: "Und den Eintracht-Walzer tanzen wir."
Die Fans wollten aber nicht richtig mittanzen. "Ehrmanntraut, Ehrmanntraut", machten sie deutlich, wem ihr Dank galt, und forderten: "Wir wolln den Trainer sehen." Wen auch sonst? Wen außer dem Trainer sollten die Anhänger feiern?
Die neue Eintracht von 1998, das ist eine Mannschaft, die rackert und kämpft, die, wenn es drauf ankommt, eine tolle Moral zeigt - aber eine Mannschaft ohne Stars. Wenn überhaupt einer herausragt, dann ist es Kapitän Ralf Weber, neben Manndecker Uwe Bindewald der einzige Spieler, der noch in den vergangenen, großen Bundesligzeiten bis zum Abstieg 1996 dabei war.
Aber damals, Anfang der 90er, rackerte Weber auf der linken Mittelfeld-Seite, während Möller, Bein und Yeboah für den Zauber zuständig waren. Das ist vorbei. "Die Mannschaft hat gezeigt", lobte Horst Ehrmanntraut, "daß man nicht allein mit Spielkultur und Spielkunst, sondern mit kämpferischen Mitteln und Willen Dinge erreichen kann, die man vorher nicht erwartet hat."
Zum Beispiel, sich mit einer Ansammlung von Amateuren, Ausgemusterten und nach langen Verletzungen schon Abgeschriebenen den Platz in der Bundesliga zurückzuerobern, den hochbezahlte Stars leichtfertig verspielten. "Ich habe Spieler geholt", erklärte der Trainer, "von denen ich wußte, daß sie ein ganz großes Ziel umsetzen wollen." Nun habe man es allen gezeigt, "die dieser Mannschaft nichts zugetraut hatten."
Paradebeispiel für die erstaunliche Entwicklung ist Thomas Epp, der sich gegen Mainz einen eigentlich schon verlorenen Ball ergrätschte und damit das 2:0 durch Westerthaler vorbereitete. Beim Zweitliga-Absteiger SV Waldhof wurde der ständig verletzte Stürmer am Ende von den eigenen Fans ausgelacht. Im Waldstadion wird Epp ob seines Einsatzwillens bei Auswechslungen sogar von den Leuten auf der Haupttribüne bejubelt, die früher höchstens höflich klatschten, wenn auf dem Rasen traumhaft kombiniert wurde.
Aber das ist nicht mehr. Seit Horst Ehrmanntraut das sportliche Sagen hat, wird akribisch geplant, ist "harte Arbeit" vom Unwort zur Parole geworden. Natürlich werde man den Aufstieg gebührend feiern, rechnete Ehrmanntraut mit einer langen Nacht. Auf das Training gestern morgen um 10.30 Uhr wollte er aber nicht verzichten.
Die Umstellung vom zigarilloschmauchenden Selbstdarsteller Dragoslav Stepanovic, mit dem die Eintracht fast in der Regionalliga gelandet wäre, zum pflichtbewußten, unscheinbaren Ehrmanntraut hätte krasser kaum sein können. Am VfL Bochum, der im letzten Jahr in den Uefa-Cup stürmte, und am 1. FC Kaiserslautern, der als Aufsteiger in dieser Saison gleich zum deutschen Titel durchstartete, könne man ja sehen, daß das Selbstvertrauen gebe.
Was allein aber wohl nicht genügt, um in der Bundesliga auf Dauer zu bestehen. Verstärkungen müssen her. "Ein Spieler reicht nicht, zwei Spieler reichen nicht und drei auch nicht, wir brauchen mehr", stellte Ehrmanntraut klar. Daß er nicht mit Stars arbeiten könne, sei Quatsch: "Toni Polster würde uns mit seiner Torgefährlichkeit gut zu Gesicht stehen - wenn er finanzierbar ist."
Andreas Möller sei das keinesfalls. "Auch wenn der Verein wieder entschuldet ist", betonte Präsident Rolf Heller, "greifen wir jetzt nicht nach den Sternen.