Von Harald Gaubatz


Mannheim, 18.05.1998

Die ersten Gerüchte über finanzielle Probleme tauchten vor etwa einer Woche auf, als bei den Mannheimer Adlern der Dauerkartenverkauf für die nächste Saison wegen eines angeblichen Defektes der Computeranlage gestoppt wurde. Die Geschäftsstelle machte zu, um "in Ruhe die Lizenzierungsunterlagen für die DEL vorzubereiten", wie Manager Marcus Kuhl erklärte.

Ein letzter großer Bluff.

Denn innerhalb von gut drei Wochen wurden nach dem Sieg im vierten und entscheidenden Sieg über die Berliner Eisbären aus stolzen Meisteradlern traurige Pleitegeier. Erstaunlich an der Situation der Adler GmbH ist vor allem, daß bis zum letzten Freitag kaum etwas an die Öffentlichkeit drang.

Schon im März hatten Kuhl und der Ende Februar in einer Nacht- und Nebelaktion zu den Kölner Haien gewechselte Geschäftsführer Dirk Brugger Selbstanzeige erstattet. Denn im vergangenen Jahr wurden offensichtlich ein Teil der Spielergehälter und die Meisterschaftsprämie am Finanzamt vorbei auf Konten in die Schweiz überwiesen - Steuerbetrug.

Einen "Nachfinanzierungsbedarf von sechs Millionen Mark" hat Harold Herrmann, Geschäftsführer der im März engagierten Karlsruher Gesellschaft für Unternehmensführung, inzwischen festgestellt. Gläubiger seien "Finanzamt, Lieferanten und Banken". Zudem hat die Mannschaft laut Kuhl die April-Gehälter noch nicht erhalten.

Auch die ausgelobte Meisterschaftsprämie von 20 000 Mark netto pro Spieler soll nicht ausgezahlt worden sein. Allein die würde mit rund einer Million Mark brutto zu Buche schlagen.

Die Verantwortlichen machen es sich nach dem großen Knall bei der Suche nach den Schuldigen einfach. Ein Problem sei die Grundstruktur der DEL. Einen "Fehler im Denkmodell", will Herrmann erkannt haben, "man kann im deutschen Eishockey im Spielbetrieb keine Schulden amortisieren."

Was natürlich Unsinn ist. Die Adler GmbH startete vor vier Jahren mit einem Grundkapital von 500 000 Mark und der Verpflichtung, jährlich 624 000 Mark an den Gesamtverein Mannheimer ERC zu zahlen, um dessen nach einem Vergleich auf 3,7 Millionen Mark halbierte Schuldenlast zu tilgen. Die Rückzahlungen betrugen demnach bislang 2,496 Millionen Mark, das Finanzloch aber beträgt offiziell rund sechs Millionen Mark.

"Kenner der Szene", so der Mannheimer Morgen, glauben sogar, daß die Verbindlichkeiten "zwischen zwölf und 15 Millionen Mark liegen". Die Hauptverantwortung dafür soll nun beim ehemaligen Geschäftsführer Brugger liegen. Der 33 Jahre alte Bankbetriebswirt, der auf Fragen nach wirtschaftlichen Zusammenhängen gerne mit einem "Wir sind doch Profis" protzte, entpuppt sich im Nachhinein als einer der laienhaftesten Amateure der DEL.

"Ich sage nichts", ist nun Bruggers kleinlaute Antwort auf Fragen nach den Hintergründen des Finanzdebakels.

"Seit 1995", erklärte Herrmann, "liegen keine verabschiedeten Jahresbilanzen mehr vor." Vier Steuerberater arbeiten derzeit in der Geschäftsstelle, um das Chaos zu durchleuchten. Unglaublich und wohl symptomatisch für das deutsche Eishockey, daß die Mannheimer von DEL-Boß Bernd Schäfer III als Vorzeigeklub der Liga dargestellt wurden, der die Altlasten des Gesamtvereins in vorbildlicher Weise abträgt.

Die Lizenz bekamen die Adler stets ohne Probleme - offensichtlich, ohne dafür die eigentlich erforderlichen testierten Bilanzen vorlegen zu müssen. Nun wollen ein halbes Dutzend Geldgeber mit dem Walldorfer Software-Giganten SAP an der Spitze Spielbetrieb und Jugendarbeit in Mannheim mit rund zwölf Millionen Mark absichern. Die Investoren wollen allerdings mit den Altschulden nichts zu tun haben.

"Auch der Konkurs der GmbH ist ein mögliches Sanierungsmodell", führt Herrmann daher aus. Da die DEL-Führung mit den Klubs der Liga derzeit verhandelt, ob die Mannheimer auch als neue GmbH weitermachen dürfen, scheint alles so zu laufen: Die Adler pleite gehen lassen und eine neue Gesellschaft gründen.

Die Verlierer wären die Gläubiger. Und das deutsche Eishockey, das wieder ein gutes Stück unglaubwürdiger wird.