Von Harald Gaubatz


Ilvesheim, 28.01.2005

gau. Wer sich im Clubhaus der SpVgg Ilvesheim aufmerksam umschaut, der wird in der Ecke hinter der Bar, genau über dem „Krisentisch“ der Fußballer, ein ungewöhnliches Kunstwerk entdecken. Ungewöhnlich sowohl bezüglich Form und Farbe, aber auch dergestalt, dass in einem Vereinsheim im Allgemeinen keine Originale an den Wänden hängen. In Ilvesheim ist das anders, weil der Künstler von der Insel kommt und etwa 100 Meter vom Neckarstadion entfernt „überm Damm“ zu Hause ist.

Albert Lurwig, der im vergangenen Sommer seinen 50. Geburtstag feierte, ist zudem ehemaliger Fußballer. Sogar einer mit glorreicher Vergangenheit, denn Lurwig ist der einzige Einheimische, der je im Trikot der SpVgg Torschützenkönig des legendären A-Junioren-Turniers um den Insel-Cup wurde. „Mit fünf Toren“, wie  sich der damalige Spielführer des Ilvesheimer Nachwuchses erinnert, „darunter war ein Hattrick gegen Borussia Dortmund.“ Das war 1972, und Lurwig hatte auch gute Mitstreiter auf dem Feld. Denn den A-Junioren der SpVgg war in der Saison 70/71 der Aufstieg in die nordbadische A-Jugendliga, die damals höchste Spielklasse in Deutschland, gelungen. Lurwig spielte mit seinem Team damit höher als die beiden großen Mannheimer Klubs VfR und SV Waldhof.

Aber nicht nur „Atsche“ selbst, wie Lurwig von seinen Bekannten gerufen wird, ist eine „Nummer“ auf der Insel. Auch Vater Julius, ein gebürtiger Ungar, der zusammen mit Mutter Marianne von 1963 bis 1972 das Clubhaus bewirtschaftete, war in der Gemeinde mehr als bekannt. In seine Zeit als Wirt der Vereinsgaststätte fällt die sportlich erfolgreichste Zeit der ersten Mannschaft, die in den 60-er Jahren in der 1. Amateurliga spielte. Albert Lurwig hat also Grund genug, seinem Klub treu verbunden zu sein.

Das zeigt er insofern, als er jedes Jahr eines seiner Kunstwerke als Ehrenpreis für den Insel-Cup stiftet. „Meine Bilder sind alles Unikate“, versichert Lurwig, der eine eigene Stilrichtung geprägt hat, die  als Lurwigrafie bezeichnet wird. So hängen Werke von Lurwig mittlerweile in den Räumen diverser europäischer Klubs, in St. Gallen ebenso wie bei Feyenoord Rotterdam oder auch dem SV Waldhof.

Albert Lurwig 1972. (Foto: privat)


 

Von Harald Gaubatz


Kaiserslautern, 26.04.1999

gau. Andreas Rettig kann mit den üblichen Phrasen in der Endphase der Fußball-Bundesliga nicht viel anfangen. "Abstiegskampf, Blut am Pfosten", sagte der Manager des SC Freiburg nach dem 2:0-Sieg in Kaiserslautern und schüttelte den Kopf, "es ist schön, daß es auch anders geht."

Volker Finke hat's am Samstag bewiesen. "Die Alten, die Kämpfer, die Grätscher, die Grasfresser" solle man bringen. Das werde stets geraten, wenn's eng stehe um den Erhalt der Klasse, erklärte der Freiburger Trainer. Finke schert sich nicht um solche Weisheiten. Im Gegenteil. Auch auf dem Betzenberg stand das 20 Jahre alte Talent Ali Günes in der Anfangsformation des Sport-Clubs. Und nach dem deutschen Meister richten wollte sich der Querdenker unter den Fußball-Lehrern schon gar nicht.

"Wir hätten versuchen können, gegen die langen Lauterer viele kopfballstarke Spieler zu bringen", führte Finke nach der Partie genüßlich aus, "aber ich habe es vorgezogen, auf kleinere, fußballerisch gute Leute zu setzen, um selbst auf Torerfolg zu spielen." Das Konzept ging auf, den beiden Treffern durch Weißhaupt und Baya gingen ansehnliche Kombinationen voraus.

"Wenn man zuvor so oft nach einer ordentlichen Leistung mit leeren Händen dasteht", sagte Finke rückblickend, "dann geht das unter die Haut." Fünf Niederlagen in Folge hatten die Freiburger zuletzt einstecken müssen. Trotzdem, so versicherte Richard Golz, sei er nicht beunruhigt gewesen und ergänzte: "Es gab - so doof wie's sich auch anhört - nichts zu verändern." Wer gut spielt, muß halt irgendwann gewinnen.

In Freiburg ist man es gewohnt, die Ruhe zu bewahren. "Hier ist einiges anders als beim Hamburger SV", stellte der aus Hamburg an die Dreisam gewechselte Golz inzwischen fest, "das fängt bei der Medienlandschaft an und geht beim Verein weiter. Der SC ist klein und übersichtlich, aber top organisiert."

So habe am Anfang der Saison, nach dem guten Start des Aufsteigers, niemand vom Uefa-Cup gesprochen. Und nach der Niederlagenserie kam nie Panik auf. "Wir haben in der entscheidenden Phase im Winter unsere Hausaufgaben gemacht", erklärte Rettig zufrieden, "die Verträge sind verlängert, egal, ob Erste oder Zweite Liga." Im Abstiegsfall könnte also zumindest keiner ablösefrei gehen. Aber über Abstieg sprachen die Freiburger nach dem Sieg sowieso nicht.


 

Von Harald Gaubatz


Rohrhof, 25.11.1998

gau. Seit vergangener Woche ist das "Experiment", wie sich Hans Hufnagel ausdrückt, beendet. Der SV Rohrhof hat seine Mannschaft aus der Fußball-Landesliga zurückgezogen. Der erste Vorsitzende wirkt nicht einmal besonders betroffen von den Ereignissen der letzten Monate. Bei der vorletzten Partie, zu der die teure Startruppe des Aufsteigers noch antrat, dem Spitzenspiel des Dritten Rohrhof gegen den Zweiten SG Kirchardt "sind auch nur 150 Zuschauer gekommen", gibt Hufnagel zu bedenken, "da fragt man sich schon: Ist es das alles überhaupt wert?"

Andreas Stärk war die Amateurkickerei offensichtlich einiges wert. Rund 340 000 Mark wird gemunkelt, habe die Aufstiegssaison in der Bezirksliga gekostet. Und für die Landesliga wurde die Mannschaft noch mal kräftig verstärkt. Neben den Aufwandsentschädigungen für die meist ober- und verbandsligaerfahrenen Spieler verschlang auch das professionelle Umfeld (zum Beispiel Trainings- und Ausgehanzüge sowie Schuhe und Sportklamotten für drei Mannschaften, Trainingslager vor der Saison, Busmiete für Auswärtsfahrten) jede Menge Geld.

"Über Vereinskonten", versichert Hufnagel allerdings, "ist da nichts gelaufen." Fürs nötige Kleingeld sorgte Stärks Immobilienuntemehmen, die "sivas GmbH". Dort läuft derzeit ein Prüfungsverfahren hinsichtlich eines Konkurses, deshalb wurden die Zahlungen an den Klub gestoppt. "Wenn man seinen Angestellten erklären muß, daß sie kein Weihnachtsgeld bekommen", wirbt Stärk um Verständnis, "kann man nicht noch einen Verein sponsern." Ihm selbst tue das am meisten weh, versichert der ehemalige Technische Leiter der Rohrhöfer, "sonst hätte ich mich nicht drei Jahre lang engagiert und versucht, hier etwas aufzubauen."

Allerdings bleibt auch ein bitterer Beigeschmack aus der sportlich erfolgreichen Zeit. "In den letzten sechs Ausgaben unseres Stadionheftes Hahnenschrei' habe ich regelrechte Hilferufe abgedruckt", erklärt Stärk, "ich habe mich als Einzelkämpfer ganz einfach überfordert gefühlt." Das sei schon richtig, bestätigt Hufnagel, der Klub habe das "Experiment" nur halbherzig verfolgt. "Aber in jedem Verein machen einige Wenige die ganze Arbeit", gibt er zu bedenken, "in dieser Hinsicht war Andreas zu blauäugig."

Verstecken will sich Stärk trotzdem nicht, Vereinsmitglied beim SV Rohrhof bleibt er weiterhin. "Der Vorstand hat mich auch informiert, bevor die Mannschaft abgemeldet wurde, obwohl er das gar nicht hatte tun müssen", berichet er, "unser Verhältnis zueinander ist genauso normal wie zuvor." Das sehe Stark zu einfach, widerspricht Hufnagel. Immerhin bestätigt der erste Vorsitzende, daß dem Verein kein finanzieller Schaden entstanden sei.

Ein Imageschaden ist jedoch mit Sicherheit da. Problematisch ist die Situation auch für die Spieler. Da die zweite Mannschaft der Rohrhöfer in der B-Klasse weiterspielt, müssen sie bei einem Vereinswechsel während der Saison mit einer Sperre von drei Monaten rechnen. Volker Berg (Wormatia Worms), Andreas Großmann (FV Biblis), Armin Oswald (SV Sinsheim), Sven Metz (RWO Alzey) und Andreas Metz (SG Eschelbach) haben schon neue Klubs gefunden, der Rest ist noch auf der Suche. Angesichts des Reinfalles auf dem Rohrhof mit einem gewissen Gefühl der Unsicherheit. "Bevor ich einen solchen Fehler noch mal mache", versichert etwa Mittelfeldspieler Norbert Muris, der auch schon in der hessischen Oberliga kickte, "überlege ich beim nächsten Wechsel ganz genau."

In der Luft hängt momentan auch Erfolgscoach Dieter Gerweck. Der übernahm die Rohrhöfer vor viereinhalb Jahren in einer fast aussichtslosen Situation zehn Spieltage vor Schluß in der Bezirksliga rettete sie vor dem Absturz in die A-Klasse, packte im Jahr darauf den Aufstieg und nach dem anschließenden Abstieg nun zum zweitenmal den Sprung in die Landesliga. "Und vom Potential her", ist er sich sicher, "war diesmal der Durchmarsch in die Verbandsliga drin."

Insofern ärgert den 39 Jahre alten ehemaligen Vertragsamateur des KSC die mißliche Situation ganz besonders. "Denn", gibt der ehrgeizige Coach zu bedenken, "ich hätte als Trainer in die Verbandshga kommen können." Des weiteren sei "es gar nicht so einfach, wieder einen ambitionierten Verein zu finden. Ein "Schlaraffenland" wie auf dem Rohrhof, wo Stärk für optimale Bedingung gesorgt habe, wird ohnehin kaum noch mal jemand bieten.

Der SV selbst hat andere Sorgen. Im Frühjahr muß erstmal entschieden werden, ob der Verein, der ja nun als erster Landesliga-Absteiger feststeht, überhaupt für die Bezirksliga meldet oder in der B-Klasse weiterspielt. "Wir haben eine große vereinseigene Anlage, die jedes Jahr Geld für den Unterhalt frißt", gibt Hufnagel zu bedenken, "das ist mir wichtiger als die Spielklasse, in der wir zukünftig antreten."


 

Von Harald Gaubatz


Frankfurt, 27.05.1998

gau. Die Viertelstunde nach dem Schlußpfiff war symbolisch für die neue Eintracht. Tausende hatten schon in den letzten Spielminuten des Fußballspiels gegen den FSV Mainz 05 den Innenraum des Waldstadions gestürmt. Denn mit dem 2:2 gegen den Zweitligakonkurrenten sollte sich Eintracht Frankfurt den letzten zum Aufstieg noch nötigen Punkt erkämpfen.

Zehntausende jubelten kurz darauf auf dem Rasen, während die Spieler des Bundesliga-Rückkehrers auf der Haupttribüne feierten. "Nie mehr zweite Liga", krächzte Profi Thomas Zampach mit heiserer Stimme ins Mikrofon und über die Stadionlautsprecher, "jetzt geht es wieder gegen Bayern München." Sein Kollege Alexander Kutschera gröhlte im Chaos: "Und den Eintracht-Walzer tanzen wir."

Die Fans wollten aber nicht richtig mittanzen. "Ehrmanntraut, Ehrmanntraut", machten sie deutlich, wem ihr Dank galt, und forderten: "Wir wolln den Trainer sehen." Wen auch sonst? Wen außer dem Trainer sollten die Anhänger feiern?

Die neue Eintracht von 1998, das ist eine Mannschaft, die rackert und kämpft, die, wenn es drauf ankommt, eine tolle Moral zeigt - aber eine Mannschaft ohne Stars. Wenn überhaupt einer herausragt, dann ist es Kapitän Ralf Weber, neben Manndecker Uwe Bindewald der einzige Spieler, der noch in den vergangenen, großen Bundesligzeiten bis zum Abstieg 1996 dabei war.

Aber damals, Anfang der 90er, rackerte Weber auf der linken Mittelfeld-Seite, während Möller, Bein und Yeboah für den Zauber zuständig waren. Das ist vorbei. "Die Mannschaft hat gezeigt", lobte Horst Ehrmanntraut, "daß man nicht allein mit Spielkultur und Spielkunst, sondern mit kämpferischen Mitteln und Willen Dinge erreichen kann, die man vorher nicht erwartet hat."

Zum Beispiel, sich mit einer Ansammlung von Amateuren, Ausgemusterten und nach langen Verletzungen schon Abgeschriebenen den Platz in der Bundesliga zurückzuerobern, den hochbezahlte Stars leichtfertig verspielten. "Ich habe Spieler geholt", erklärte der Trainer, "von denen ich wußte, daß sie ein ganz großes Ziel umsetzen wollen." Nun habe man es allen gezeigt, "die dieser Mannschaft nichts zugetraut hatten."

Paradebeispiel für die erstaunliche Entwicklung ist Thomas Epp, der sich gegen Mainz einen eigentlich schon verlorenen Ball ergrätschte und damit das 2:0 durch Westerthaler vorbereitete. Beim Zweitliga-Absteiger SV Waldhof wurde der ständig verletzte Stürmer am Ende von den eigenen Fans ausgelacht. Im Waldstadion wird Epp ob seines Einsatzwillens bei Auswechslungen sogar von den Leuten auf der Haupttribüne bejubelt, die früher höchstens höflich klatschten, wenn auf dem Rasen traumhaft kombiniert wurde.

Aber das ist nicht mehr. Seit Horst Ehrmanntraut das sportliche Sagen hat, wird akribisch geplant, ist "harte Arbeit" vom Unwort zur Parole geworden. Natürlich werde man den Aufstieg gebührend feiern, rechnete Ehrmanntraut mit einer langen Nacht. Auf das Training gestern morgen um 10.30 Uhr wollte er aber nicht verzichten.

Die Umstellung vom zigarilloschmauchenden Selbstdarsteller Dragoslav Stepanovic, mit dem die Eintracht fast in der Regionalliga gelandet wäre, zum pflichtbewußten, unscheinbaren Ehrmanntraut hätte krasser kaum sein können. Am VfL Bochum, der im letzten Jahr in den Uefa-Cup stürmte, und am 1. FC Kaiserslautern, der als Aufsteiger in dieser Saison gleich zum deutschen Titel durchstartete, könne man ja sehen, daß das Selbstvertrauen gebe.

Was allein aber wohl nicht genügt, um in der Bundesliga auf Dauer zu bestehen. Verstärkungen müssen her. "Ein Spieler reicht nicht, zwei Spieler reichen nicht und drei auch nicht, wir brauchen mehr", stellte Ehrmanntraut klar. Daß er nicht mit Stars arbeiten könne, sei Quatsch: "Toni Polster würde uns mit seiner Torgefährlichkeit gut zu Gesicht stehen - wenn er finanzierbar ist."

Andreas Möller sei das keinesfalls. "Auch wenn der Verein wieder entschuldet ist", betonte Präsident Rolf Heller, "greifen wir jetzt nicht nach den Sternen.


 


Von Harald Gaubatz


Mannheim, 29.12.2020

Als ich acht war, begann ich mit dem Fußballspielen. Deutschland war gerade zum zweiten Mal Weltmeister geworden und mein Vorbild war Berti Vogts, auch Terrier genannt. Ich war ein guter Verteidiger, das passte also.

Vier Jahre später war die TSG Rheinau zu Gast bei uns in Seckenheim. Damals bekam ich eine Ahnung davon, was Fußballspielen bedeutet. Mein Gegenspieler war ein für seine 12 Jahre schmächtiger Junge, den alle Mauri riefen. Er machte Dinge mit dem Ball, von denen ich nicht mal zu träumen wagte.

Maurizio Gaudino, so sein voller Name, erzielte zwei Treffer selbst und erzwang ein Eigentor von mir. Wir unterlagen mit 2:4 und ich bekam in den folgenden Jahren immer wieder gezeigt, was möglich ist im Umgang mit der Lederkugel. Aber es kam noch besser.

Staunend sahen wir, wie bei der WM in Spanien der Stern von Diego Armando Maradona aufging. Zumindest für die Europäer. In unserer kleinen Welt wechselte Gaudino zur B-Jugend des Bundesligisten SV Waldhof. Ich schloss mich dem kleineren Lokalrivalen VfR Mannheim an.

Es kam die A-Jugend und Jugendnationalspieler Achim Keller, ein schneller, torgefährlicher Spieler. Eine echte Verstärkung für uns. Keller stieg drei Jahre später mit dem KSC unter Winni Schäfer in die Bundesliga auf. Gegen den SV Waldhof traf er auf Jürgen Kohler und machte keinen Stich.

Gaudino erzielte gegen mich nach drei Minuten das 1:0. Danach glänzte er mit einer Flanke per Hacke aus dem Lauf, die süditalienische Verwandtschaft auf der Tribüne des altehrwürdigen Rhein-Neckar-Stadions klatschte begeistert Applaus. Im Mannheimer Morgen war tags darauf zu lesen, Jugend-Nationalspieler Gaudino konnte „von Gaubert nie ausgeschaltet werden“. Zum Glück schrieb der nachlässige Mitarbeiter meinen Namen falsch. Sonst hätte ich mir in der Schule noch mehr blöde Sprüche anhören müssen.

Waldhof wurde nordbadischer Meister und zog in die Endrunde um die Deutsche ein. Für uns als Sechsten war die Spielzeit beendet. Den endgültigen Saisonabschluss bildete dann der Ilvesheimer Insel-Cup. Diesmal gingen wir gegen Waldhof in Führung und verteidigten lange ein 1:1. Mitte der zweiten Halbzeit erhielt ich für ein grobes Foul eine Zeitstrafe. Gaudino – wer sonst – nutzte die numerische Überlegenheit zum Siegtreffer. Der SVW gewann den Cup im Endspiel gegen Feyenoord Rotterdam, wir wurden Siebter.

Es war das letzte Mal, dass ich Fußball spielte. Danach habe ich – gefühlt – nur noch gekickt. Und den Guten zugeschaut.

So wie zwei Jahre später. Kohler und Gaudino waren längst Leistungsträger des SV Waldhof in der Bundesliga. Ich war Funker im Fernmeldebataillon 970 in der Mannheimer Ludwig-Frank-Kaserne, die es heute nicht mehr gibt. Wir vom Bauzug hatten Wachwochenende und einen Fernseher vor die Baracke gestellt. In Mexiko City lief im Aztekenstadion vor 114.600 Zuschauern das WM-Endspiel, Deutschland hatte gerade zum 2:2 ausgeglichen.

Drei Minuten später der perfekte Pass von Maradona. Briegel jagte Burruchaga mit heruntergelassenen Stutzen übers halbe Spielfeld hinterher. Umsonst, das Spiel war verloren. Diego wurde zu D10S, und irgendwie fühlte es sich gerecht an, dass der kleine Argentinier nun der Größte war.

1989 war ich beim VfL Neckarau in der damals viertklassigen Verbandsliga gelandet. Dort traf ich Achim Keller wieder, eine schwere Knieverletzung beendete nach vier Bundesliga-Spielen den Traum vom Profidasein. Bei mir riss im Herbst das Kreuzband. Ich fing an, bei der Rhein-Neckar-Zeitung zu jobben. Und schaute wieder Fernsehen. Nämlich, wie Gaudino in den Endspielen des UEFA-Cups brillierte. Mauri brachte den VfB Stuttgart im Hinspiel in Neapel sogar in Führung. Nur: Maradona war noch besser und führte die Italiener zum Sieg.

Im Sommer darauf saßen wir in Ilvesheim bei Ridingers im Garten, natürlich wieder vor der Glotze. Nach abenteuerlichen Fahrten zum Viertel- und Halbfinale des deutschen Teams in Mailand und Turin gab es beim Endspiel die entspannte Variante. Kohler verteidigte eisenhart, Brehme verwandelte eiskalt. Deutschland holte den dritten Titel – und Maradona weinte. Ich freute mich und war traurig zugleich.

Nochmal vier Jahre später war alles anders. Maradona glänzte in den USA eine Vorrunde lang, wurde dann aber des Dopings und Drogenmissbrauchs überführt. „Abgehoben“ titelte ich in einem harten Kommentar für die Rhein-Neckar-Zeitung. Zu hart. Denn angebracht war eine solche Generalabrechnung nicht. Diego schenkte meiner Generation die unglaublichsten Momente der Fußballgeschichte. Einen Besseren gab´s nie mehr.

Im Mai nach der Jahrtausendwende durfte ich ihn dann im Auftrag des Mannheimer Morgen endlich live erleben. 43 Minuten hielt er durch beim Abschiedsspiel für Lothar Matthäus, Gegner in beiden WM-Finals. 43 Minuten, bei denen die 47.000 Zuschauer bei jeder Ballberührung des von seinen Eskapaden gezeichneten Genies tobten. 43 Minuten, in denen Bayerns Brasilianer Paulo Sergio vor stolz zu platzen schien, dass er mit Maradona im selben Team antreten durfte.

Maurizio Gaudino ging im kleinen Kreis. Ihn konnte man sogar nochmal in Mannheim bewundern. Als es dem SV Waldhof am schlechtesten ging, als nach dem Lizenzentzug von 2003 keine Mannschaft für die Oberligasaison zusammenzukommen schien, da sprang Mauri ein und half seinem alten Klub, Spieler für den Neustart zu begeistern. Die Waldhöfer konnten antreten und spielten mit einer jungen Truppe eine großartige Runde.

Ein paar Wochen vor dem nicht vorauszusehenden Comeback hatte ich mich in einer Brühler Pizzeria mit ihm verabredet, für einen kleinen Beitrag in der Rhein-Neckar-Zeitung. Ich traf einen ruhigen Familienvater, der dem Gegenspieler aus Jugendzeiten, den er nicht mehr kannte, geduldig und freundlich für ein längeres Gespräch zur Verfügung stand.

Auf dem Platz war Maradona der Größte.

Das Spiel des Lebens hat Mauri besser bewältigt. Diego hat vergangenen November endgültig verloren.


  

Bericht des Mannheimer Morgen vom 23.01.1984.